Der Shagya-Araber

Ein Pferd mit einer großen Geschichte

Hans Brabenetz, Wien / Bruno Furrer, Gerlikon

«Der Shagya-Araber ist die auf internationaler Basis in Reinzucht, das heißt bei geschlossenen Stutbüchern der nationalen Zuchtverbände, gepflegte Weiterentwicklung der «Araber Rasse» der ungarischen und österreichischen Gestüte Babolna und Radautz. Sein Zuchtziel ist ein großrahmiges arabisches Pferd, das gleichermaßen als edles Reit- und Fahrpferd für jedermann geeignet ist.

So lautet die Rassebeschreibung in der Zuchtbuch-Rahmenordnung der Internationalen Shagya-Araber Gesellschaft (ISG) für die Shagya-Araber, einer über 200 Jahre alten Rasse.

Wenn auch der Begründer des Shagyastammes, der gesamten Rasse ihren Namen gab. Erst 1830 geboren und 1836 aus Arabien nach Babolna importiert wurde, so reichen deren Wurzeln doch wesentlich weiter zurück, einerseits in das 1774 gegründete Remonten und Aufzuchtkommando in der Bukowina. Dieses wurde 1792 zum bukowinischen Landesgestüt und Remontendepartement erweitert, wo die Pferde zuerst in Waschkoutz und ab 1792 in Radautz untergebracht wurden. Andererseits nach Mezöhegyes das 1785 wie Radautz vom Remontendepartement zum Staatsgestüt umgewandelt wurde. So wie dort bildeten in ganz Osteuropa angekaufte Stuten die weibliche Grundlage der Rasse.

Das dritte und heute wohl bekannteste Gründergestüt war das 1789 entstandene Babolna wohl aufgrund der günstigen Lage in Westungarn und des dadurch kurzen Transportweges vom Hafen Triest aus, kam der allergrößte Teil der importierten Original-Araber  nach Babolna. Von dort gelangten vor allem ihre männlichen Nachkommen in die beiden anderen Gestüte. Gemessen an der Gesamtzahl der Importierten Hengste, gelang es nur einen Teil voll ihnen, bleibende Stämme zu gründen. Dies gilt auch für die Importierten Orignal-Araberinnen von denen einige ganz bedeutende Stutenfamilien entstanden. Und so wurde Babolna das Gestüt, das auch originalarabische Stutenfamilien entstehen ließ. Die älteste Stammstute ist die « 449 Moldva», geboren 1781.Berühmt wurde auch die Stutenfamilie der Original- Araberstute «Tifle», geboren 1810 aus dem Stamm der Hamdani dem Gebiet des Nedsch. Als Stammväter der Shagya-Araber sind eine ganze, Anzahl voll Originalaraber Araberhengsten zu nennen, die von fachkundigen Experten zum Teil in schwierigen und sehr gefährlichen Ankaufexpeditionen in den Wüsten  Arabiens erworben wurden. So der bereits genannte «geapfelte  Honigschimmel Shagya», der so großartig und Überragend war, dass er praktisch in allen Pedigrees verankert ist. Er drückte der Zucht seinen Stempel auf. Weitere Stammesbegründer waren die Original -Araber  Gazlan-Gazal, Koheilan, Mersuch, Dahoman ,Siglavy, Siglavy-Bagdady, der Rappe O'Bajan und die aus dem königlichen Hofgestüt Weil in Württemberg stammenden Amurath und Kemir. Spätere Stempelhengste und Stammesbegründer wurden Kuhailan Halfi, Kuhaylan Zaid sowie die Ägypter Ibn Galal und Farag.

Um die Mitte des XIX. Jahrhunderts wurde die arabische Zuchtrichtung in Mezöhegyes die vor allem vom Shagyastamm geprägt war, aufgegeben und nach Babolna verlagert. Die üppigen Futterverhältnisse von Mezöhegyes beeinflussten den edlen und trockenen Arabertyp doch zu sehr.

Das Ende des Ersten Weltkrieges brachte eine ganze Reihe von einschneidenden Veränderungen in der Zucht des Shagya-Arabers. Das bereits 1914 nach Innerösterreich evakuierte Gestüt Radautz wurde aufgelöst und größtenteils an die Nachfolgestaaten abgegeben. Polen sicherte sich eine größere Anzahl von hochklassigen Zuchtpferden.

Vor allem die Stämme Amurat, Shagya und Dohaman waren in dieser Abgabe stark vertreten. In Österreich selbst verblieben lediglich die Abteilung englisches Vollblut, der Stämme Furioso und Przedswit, die angloarabischen Gidran, die Lipizzaner, ein Teil der Huzulen und das Shagyagestüt. Letzteres wurde im September 1919 nach Piber transferiert, wo ihm aber nur eine kurze Lebenszeit beschieden war. Im Herbst 1922 ging ein Teil der Stutenherde in das ein Jahr vorher gegründete Staatsgestüt Topolcianky in der Slowakei, und im März 1923 wurde der Rest von 75 Pferden in das Gestüt Tata des Franz Graf Esterhazy verkauft.

 Babolna musste im August 1919 einen schweren Schicksalsschlag hinnehmen. Die vorübergehende Besetzung Ungarns durch die kleine Entente brachte es mit sich, dass ein erheblicher Teil der Gestütspferde von rumänischen Truppen requiriert und außer Landes gebracht wurde.

Diese bildeten im nunmehrigen Großrumänien die Basis für eine qualitätsvolle und wertvolle Zucht.

Schon zu Beginn der 30er Jahre wurde die gräfliche Zucht in Tata aufgelöst und an Babolna abgegeben. Für das, infolge der rumänischen Requirierung geschwächte Babolna bedeutete dieser Zugang eine willkommene Bereicherung. Nicht nur qualitativ sowie quantitativ, sondern auch in genetischer Hinsicht. Sowohl politische als auch ökonomische Umstände brachten in den Nachkriegsjahren teilweise einschneidende Änderungen und Reduktionen.

Nach Rumänien kamen 1919 nicht nur die Pferde aus Babolna, sondern auch ein umfangreicher Transport von Restitutionspferden ans Österreich. Diese waren überwiegend noch im alten Radautz gezogen.

Bis heute wurden die Araber in Rumänien stets an zwei Stellen gezüchtet. Die eine Gruppe kam ins 1928 gegründete Mangalia, wo die Zucht bis heute ununterbrochen betrieben wird. Die andere Gruppe nahm einen weiten Weg über verschiedene Gestüte, um Ende der Achtzigerjahre wieder nach Radautz zurück zukehren.

Ähnlich wie Oberst Heller im alten Radautz, kommt dem überragenden ungarischen Hippologen und späteren General Tibor Pettko-Szandtner von Felsödriethom die allergrößte Bedeutung zu. Von 1932 bis 1942 als Kommandant der Militärabteilung von Babolna, mit weitgehendst und sonst in Ungarn nicht üblichen Befugnissen ausgestattet, brachte er das Gestüt zur unbestrittenen Spitze in Europa und der Welt. Nicht nur als Züchter,  sondern auch als Fahrer war er mit seinen sieggewohnten Viererzügen auf allen Turnierplätzen eine stets umjubelte Erscheinung. Er war es auch, der mit seinem bahnbrechenden Werk «Ungarisch  Fahren» diesem Fahrstil ein bleibendes Denkmal setzte. Ab 1943 hatte er die Gesamtleitung der ungarischen Pferdezucht inne. Als begnadeter Züchter auch der Shagya-Araber, war er verantwortlich für eine Epoche der Hochblüte dieser Rasse.

In den Wirren des Krieges Gazal VII 1944 auf dem Eisenbahntransport geboren, als das Gestüt Babolna evakuiert wurde und in Bergstetten bei Donauwörth Aufnahme fand. Hier wuchs er bis zum Alter von drei Jahren auf und kehrte mit dem Pferdebestand im Jahre 1947 nach Babolna zurück. Der Hengst hatte sich vorzüglich entwickelt, wurde für sechs Jahre Landbeschäler und wurde als Hauptbeschäler nach Babolna versetzt, wo er in 15 Jahren zum Stempelhengst für die gesamte Mutterstutenherde wurde. Im Alter von 23 Jahren konnte Gazal VII in die Bundesrepublik Deutschland, an Dr. Albert Schmidt, nach Ankum verkauft werden, wo er noch bis 1974 überaus wertvolle Nachkommenschaft lieferte. Dieses gilt sowohl in der Erzeugung von Beschälern der reinblütigen Shagya-Zuchten als auch von typvollen, meist kalibrigen Mutterstuten.

Die kommunistischen Regierungen im Osten hatten Ende (der 50er- Jahre die «Mechanisierung der Landwirtschaft» in ihre Parteiprogramme geschrieben.

Wodurch viele Elitepferde verloren gingen. Die Entwicklung der Shagya-Zucht im westlichem Europa, wirkte sich durch den Niedergang der ungarischen und slovakischen Shagya-Zucht, insbesondere für die Bundesrepublik Deutschland günstig aus. Aber nicht nur nach Deutschland kamen viele Pferde der «Araberrasse» wie sie bis zur Gründung der Internationalen Shagya-Araber Gesellschaft (ISG) hieß, aus dem Osten, insbesondere durch die engagierte Freundin des Shagya-Arabers, Ulla Nyegaard, wurde wertvolles Zuchtmaterial nach Dänemark angekauft. Hervorragende Zuchtpferde wechselten nach Osterreich und der Schweiz.

Nach dem Zweiten Weltkrieg organisierten sich die Züchter. Zu den ersten Mentoren gehörten der unvergessliche Landstallmeister Ernst Bilke und die besonders für die Shagyas unermüdlich und tatkräftig arbeitenden Dr. Fritz Gramatzki und Dr. Ekkehard Frielinghaus.

Erstmals trat die Alte österreichischungarische «Araberrasse»aus Ihrem angestammten Lebensraum in größerem Umfang heraus und verbreitete sich von den osteuropäischen Staatsgestüten Ungarns, Rumäniens, Jugoslawiens und der Slovakei aus, immer mehr im westlichen Europa. Die züchterische Nutzung dieser Pferde begann - von wenigen früheren Ausnahmen abgesehen - ab etwa 1960. Die Haltung erfolgte hier  nicht so sehr in größeren Gestüten, von denen es immerhin das eine oder andere gab, sondern lag überwiegend in der Hand von Züchtern mit einer oder zwei Stuten. In dieser weiträumigen Streuung einer bisher in Gestütszucht entwickelten Rasse lagen große Risiken in Hinblick auf die Qualitätserhaltung, den Typ, die Reinzucht. Ja allein die vollständige stutbuchmässige Erfassung des Bestandes bereitete Schwierigkeiten.

Das bewog weitsichtige Züchter aus mehreren westeuropäischen Ländern schon früh, etwa ab Beginn der 70er.Jahre sich Gedanken zur Konsolidierung der Zucht in Westeuropa und zur Erhaltung der Rasse zu machen. Diese Bestrebungen fanden Ihren Brennpunkt In der Person von Dr. Fritz Gramatzki, der die Bewahrung der damals fast 200 Jahrealten Rasse zu seiner persönlichen Sache machte und der Motor aller Bestrebungen wurde.

Ende Mai 1979 traf sich erstmals ein internationaler Arbeitskreis «Reinzucht-Shagya -Araber» auf dem Urihof in Andechs. In ihm waren mit der Bundesrepublik Deutschland, Dänemark, Österreich und der Schweiz, die auch heute noch maßgebenden Repräsentanten der westeuropäischen Shagyazucht vertreten. Im wesentlichen wurde dort über die Namensgebung der Rasse und über die Zuchtbuchdefinition entsprechend der des deutschen Araberverbandes entschieden  und über Form und Inhalt von Stutbüchern gesprochen. Dr. Gramatzki erläuterte seine bereits weit gediehenen Vorschläge hierzu. Gemeinsamkeit wurde auch darin erzielt, dass nach Vorliegen der Stutbücher dieser Länder das Shagya-Stutbuch als geschlossen gelten soll.

Dieses Treffen war Voraussetzung für den Antrag auf Mitgliedschaft als «Associated Member» bei der WAHO, den Dr. Gramatzki für den Internationalen Kreis anlässlich der Tagung des «executiv committee» der WAHO im August 1979 in London stellte. Diesem Antrag wurde entsprochen. Im August 1983 erfolgte die Gründung der Internationalen Shagya-Araber Gesellschaft e. V. in einem festlichen Rahmen, der ersten internationalen Schau für Shagya-Araber und Anglo-Araber in Verden.  Sechs der zwölf Gründungsmitglieder waren bereits Teilnehmer des Arbeitstreffens im Urihof 1979. Die Araberverbände Deutschlands, Österreichs und der Schweiz sind seit der Gründung die ISG korporierte Mitglieder. Inzwischen sind auch noch die nationalen Verbände von Bulgarien, Tschechien Dänemark, Frankreich, Ungarn, Norwegen, Schweden, Nordamerika und Venezuela dazu gekommen: zudem die Staatsgestüte Babolna und Topolcianky. Einzelzüchter aus Italien werden von der ISG betreut. Rund 2000 Zuchtpferde der Shagya -Araberrasse sind gegenwärtig weltweit in den Registern eingetragen.

Ein besonderer Meilenstein in der Geschichte der Shagya-Araberzucht war es, als 1984 In Deutschland das zweibändige Stutbuch mit über 1700 Seiten Umfang erschien. Es hatte grundlegende Bedeutung für die Zucht, da es alte nach 1945 nach Deutschland importierten Zuchtpferde dieser Rasse enthielt. Diese Lebensarbeit von Dr. Gramatzki und Lieselotte Tarakus stellt auch in genealogischen Tafeln die Familienbeziehungen dar und beschreibt in ausführlichen Beiträgen die Zuchtentwicklung nach den Vaterstämmen. In der Folge erschienen auch weitere nationale Stutbücher, so diejenigen von Österreich, der Schweiz und von Dänemark.

Inzwischen hat die ISG in Babolna ein Informationszentrum eingerichtet, wo mit Hilfe modernster Computertechnik eine Datenbank zur Herstellung eines Internationalen Shagya-Araberstutbuches  erstellt wird. So hat man  sich zum Ziel gesetzt, bis Ende 1998 umfassende Stutbücher mit den neuesten Werten herauszugeben.

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